Gerne möchte ich die Personen oder die Agentur kennen lernen, die hinter der massiven Kampagne zur sofortigen/schnellen Lockerung oder gar Beendigung der coronabedingten Einschränkungen stehen.
Für mich beispiellos, wie eine Sicht der Dinge, eine Forderung plötzlich und innert einer Woche die (sozialen) Medien und die Berichterstattung beherrscht. Anfänglich ist die Orchestrierung noch nicht aufgefallen. Was als Tweets oder Posts von Wirrköpfen begann, wird plötzlich – pardon l’expression – „Mainstream“ (ich brauche diesen Begriff wirklich sehr ungern, weil er schwerst aluhutbelastet ist).
Nur 15 Tage nach dem Lockdown beherrscht nur noch eine Frage die öffentliche Diskussion: Wann darf sie Wirtschaft wieder? Trotz des Milliardenfallschirms Tage zuvor. Trotz des einmaligen Ausbaus
der Kurzarbeit. Niemand wurde bis jetzt besser geschützt als „die Wirtschaft.“ Davon kann das systemrelevante Personal in Krankenhäusern, KITAs und Lebensmittelgeschäften ein Lied singen.
Plötzlich reden wir nicht mehr über die expansive Welle nachbarlicher Solidarität oder gehen der Frage nach, wie man den Lockdown am besten übersteht. Nein! Unbesehen der Warnungen der Experten
rüttelt und schüttelt die Kampagne am fragilen Gerüst der kurzfristigen Einigkeit im politischen Bern.
Ja, „das Geld“ hat das Geld, so einen Vormarsch zu veranstalten. Im Gegensatz zu anderen Haltungen. Es ist schwer bis unmöglich, eine Lobby für „die Vernunft“ oder „die Wissenschaft“ aufzubauen, geschweige denn breit in die öffentliche Debatte einbringen zu können. Der Bund(esrat) tut das zwar – dessen Informationskampagne haftet aber immer ein vermeintlicher Makel „staatlicher Information“ an. Die Gegenkampagne schimpft jene, die sich auf diese Informationen verlassen „unkritisch“ oder „staatsgläubig.“ Wer möchte das schon gerne sein.
Heute ist der Feldzug der Wirtschaft in den Gemeinden angekommen. Nach Bund und Kantonen müssten auch die Gemeinden die Wirtschaft finanziell stützen. Interessanterweise kommen ja all diese Forderungen nach staatlicher Intervention von PolitikerInnen, die diese bis vor 2 Wochen Teufelszeug schimpften und bei jeder Gelegenheit anprangerten (ausser bei der Rettung der Banken oder der Swissair…).
Von den Menschen, vom Leid der Betroffenen wird kaum mehr gesprochen – stoisch nehmen wir die täglichen Zahlen und Kurven zur Kenntnis. Darunter, darüber, daneben steht „Aber die Wirtschaft!“
Niemand bestreitet deren Wichtigkeit. Niemand will die Wirtschaft an die Wand fahren. Die Hilfe des Bundes, die Stützen, haben gigantische Ausmasse. Wir wär‘s, wenn wir uns jetzt auch wieder den Menschen zuwenden? Den ohne diese wird die Wirtschaft nach dem Lockdown kaum funktionieren. Die Wirtschaft braucht die Menschen. Ob es wirklich vertrauen schafft, wenn im Zuge der „Economy first!“-Kampagne darüber diskutiert wird, „ob man nicht ein paar tote Senioren in Kauf nehmen müsse um die Wirtschaft zu retten?“ Natürlich kommen solche Beiträge von libertären Wirrköpfen und populistischen Effekthaschern und sind nicht Teil der oben erwähnten Kampagne. Aber diese liefert das Fahrwasser – und die Abgrenzung ist häufig zu wenig scharf…
Mir macht die Einseitigkeit der Diskussion der letzten Tage Angst. Hoffentlich bleiben die Verantwortlichen trotz des massiven Druckes auf dem Wege der Vernunft und werden den Lockdowen dann lockern, wenn es aus wissenschaftlicher, epidemiologischer Sicht angezeigt ist. Für die Menschen – und die Wirtschaft!