«Shut up, man» war so etwas wie der Höhepunkt der Präsidentendebatte im US-Fernsehen. «Shut up, man» fasst ziemlich genau den Stand der Diskussionskultur in Amerika zusammen. Die älteste Demokratie der Welt hat die Fähigkeit verloren, sich auseinanderzusetzen.
Kein rein amerikanisches Phänomen. Auch wenn wir es gerne sehen würden, wenn Trump, seine Demontage der Debattenkultur und der Vormarsch der Diskurstrolle ein lokales Phänomen auf einem fremden Kontinent wären.
Dass dem nicht so ist, hat sich zu Beginn der Herbstsession auf dem Bundesplatz manifestiert. Während sich die Volksverteterinnen und Volksvertreter im National- und Ständerat meist an die Netiquette des Parlamentsbetriebs halten, ist einigen Angesichts demonstrierender Kinder und Jugendlicher das Herz auf die Zunge und das Hirn in die Hose gerutscht. Es entbrannte ein Kampf um die medial am besten abgedeckte verbale Entgleisung.
Ob Köperteile oder Tiere, die werden in unterschiedlichster Kombination an verschiedenste Adressaten verteilt, wann immer ein Kamerateam, ein Schreibblock oder ein Handy in der Nähe ist. Von Menschen, die als gewählte Abgeordnete jenen, die sie da beschimpfen, eigentlich ein Vorbild sein sollten. Wahlweise auch an Personen gerichtet, die sie der Komplizenschaft mit den um die Zukunft besorgten Heranwachsenden bezichtigen.
Es wird Zeit, dass die Debattierkultur Teil des obligatorischen Unterrichts wird. Dass gelernt und geübt wird, wie man inhaltliche Debatten führt. Alle Schulabgängerinnen und Schulabgänger sollen die Fähigkeit erwerben, sich mit fremden Meinungen auseinanderzusetzen, ohne deren Trägerinnen und Träger zu erniedrigen.
Zu hoffen wäre, dass (dann) wieder Leute gewählt werden (können), die miteinander statt über- oder gegeneinander reden. Dass überzeugt, wer die besseren Argumente hat. Und das «Shut up, man» weder nötig noch akzeptiert ist.